logoi enhyloi
dokei eniois philosophia einai  


Bitte und Danke nicht vergessen. Höflichkeit schafft Distanz. Gerade genug Distanz, damit keine Selbstverständlichkeit aufkommt und somit Nicht-Beachten. Gerade genug Distanz, um den Wunsch nach Nähe und das Begehren zu entfachen.
 


Es schien der Herbst der laut knallenden, rauschenden Platten wie The Arcade Fires Reflector gewesen zu sein. Doch im Hintergrund alles Lauten und Heftigen summte und murmelte ganz zart und leise vor sich hin das vierte der Alben, die Bill Callahan unter seinem Namen veröffentlicht hat. Und dieses Summen war so wunderbar und die Herbstkälte abwehrend, dass man lieber noch einmal stehenbleiben und hinhören sollte, bevor der gewaltige Strom des Immerneuen es geräuschvoll wieder davonspült.
Bill Callahan, vorher seit den 1990er Jahren als Smog unterwegs, bekam schon für sein zweites „Bill Callahan“-Album von 2009 – Sometimes I Wish We Were an Eagle hymnische Kritiken, die vom Höhepunkt seines Schaffens sprachen. Dass solche Worte jedoch für jemanden wie ihn, der sich immer bewegt und verändert – auch äußerlich, indem er beispielsweise Mitte der 2000er Jahre von Chicago nach Texas zog – natürlich Quatsch sind, war schon an der letzten Platte von 2011, Apocalypse, zu hören. Denn diese ließ das bestimmende Element von Sometimes I wish... - neben der Callahanschen „Grundausrüstung“ von Gitarren, Schlagzeug und ein und an hinzugezogenes Klavier - nämlich die abrundenden und zu Herzen gehenden Streicher weg – und brachte stattdessen Countryelemente wie die Fiddle und Flöten ins Spiel. Diese wiederum konterkarierte Callahan auf Apocalypse auch gleich wieder durch, nun ja, Geräusche: Man höre sich dazu einfach „Universal Applicant“ an! Aber auch gesanglich bewegte sich Apocalypse von Sometimes I wish We Were an Eagle weg. Natürlich hörten wir – dem Himmel sei Dank! – immer noch den göttlich sonoren Bariton Callahans, aber eben auch in etwas schrofferer Form und weniger auf einen angenehmen, eingängigen Klang bedacht.
Und nun mit Dream River zeigt Bill Callahan wieder allen vergangenen Kritikerreden von Schaffenshöhepunkten die lange Nase. Denn mit dieser Platte hat er nichts weniger getan, als die vibrierende texanische Wärme, das Rauschen von Wind und Wasser, das Flüstern von Gras und die innere Ruhe, die man draußen in der Natur ebenso findet wie im Zusammensein mit einer geliebten Person, in ein Album zu packen, in 40 Minuten Musik und Stimme. Und damit wiederum schenkt er uns nichts weniger als einen goldenen Schatz für graue Zeiten und dunkle Wintertage.
Gesanglich zeigt er dabei wieder wie auf Sometimes I wish... die „Rundungen“ seiner sowohl Unterleibserwärmungen als auch Gänsehaut erzeugenden Stimme. Instrumentell und produktionstechnisch schließt er eher an das Vorgängeralbum an: Wir hören neben akustischen und geradezu zärtlich klingenden elektrischen Gitarren auch die Fidel und Flöten. Vom Einsatz des Schlagzeugs zu sprechen, ist schon fast zu viel; Callahan arbeitet vor allem mit „handgestrickter“ Percussion wie zum Beispiel Klangstäben. Doch die reine Aufzählung von Instrumenten führt gar nicht allzu weit: Was Dream River ausmacht, sind viel mehr die Geschichten, die BC baritonös erzählt – die Musik, das Zusammenspiel von Stimme, Instrumenten und Worten findet auf diesem Album zu einer perfekten Einheit.
Es beginnt gleich grandios mit „The Sing“, einem Loblied auf das vielleicht oft unterschätzte Alleintrinken, dem Bei-sich-sein in einer Hotelbar: Es wird nichts gesprochen als „Beer“ und „Thank you“. Leis angeschlagene Klanghölzer und ein vom Besen erzeugtes Rauschen vermitteln das Gefühl eines Regentages, der aber dank dem warmen Bass und der melodischen Fidel nicht Melancholie, sondern Beruhigung und Glück bringt. Mit der Callahan eigenen Sicherheit, große Metaphern zu wählen und Vergleiche zu ziehen, gerät die Barsituation zu einer Andacht: „Giving praise in a quiet way / Like a church / Like a church / That’s far away.“ Das Geräusch eines entfernten Zuges, der seinen Walgesang singt, bringt einen aufs Meer, wo man Kraft schöpft und schließlich zart und mit Gänsehaut zum nächsten Lied gefiedelt wird.
„Javelin Unlanding“ beginnt mit Schwung, der Rhythmus der Gitarre und der Percussion erinnert an das Hufgetrappel eines trabenden Pferdes, die Flöte deutet einen angenehm windigen Sommertag an, der immer wieder durch die angeschlagene Gitarre gleich einem Donner in der Ferne getrübt wird. Vor diesem Hintergrund beginnt Callahan mit sanfter Stimme den in Wirklichkeit harten Text zu singen, der die tiefe Erschütterung beim - vielleicht sogar ersten - Beziehungskrach ausdrückt. Einem, der die Welt zum Schwanken bringt und die Angst zu verlieren hervorkommen lässt: „Sometimes it’s hard to know when / To call it an evening / See as much as we can stand / Stand 'til we stagger / Laying all twisted together and exposed / Like roots on a river bank / And bam bam bam! / The earth off its axis /The first drafts in ashes / And smeared on our faces.“ Groß ist hier die Verbindung eines solchen Textes mit einer positiven musikalischen Energie – mit perlenden Klängen – die die Probleme relativiert und in die rechte, universale Perspektive rückt.
Spätestens nach diesem zweiten Song entspannt man sich, lehnt sich zurück und ist begierig auf die kommenden weiteren sechs Geschichten, Märchen, Novellen, die Bill einem vorsingt und vormurmelt.
Das folgende „Small Plane“ ist inhaltlich und auch musikalisch das Gegenstück zu „Javelin Unlanding“: Die zarte Melodie der Gitarren und eine kaum hörbare, fast nur spürbare abgedämpfte Bassdrum verursacht das Gefühl, man schwebe in einem Raum – und es treibt einem Tränen in die Augen, Tränen des Wiedererkennens guter Gefühle oder auch der Sehnsucht danach, je nach der eigenen Lebenssituation: „Sometimes you sleep while I take us home / That’s when I know / We really have a home / I never like to land / Getting back up seems impossibly grand / We do it with ease / Danger, I never think of danger / I really am a lucky man / I like it when I take the controls from you / And when you take the controls from me / I really am a lucky man / Flying this small plane”. Durch den langsamen Rhythmus und die Instrumentierung fühlt man sich sicher und sanft durch das Stück und durch die Lüfte getragen – nur halbwach und in einem Traum.
Die durch den Titel des nächsten Liedes, „Spring“, geweckten Erwartungen durchkreuzt Callahan sehr geschickt, indem er entgegen den positiven Assoziationen des Wortes eine bedrohliche Natur zeichnet: Der Bass – und wieder leise im Hintergrund wirkende Claves – nehmen einen dabei an die Hand und führen durch diese Natur hindurch. Der Gegenpol ist wieder die Geliebte, in der einsetzenden zarten Flöte präsent, die alles Dunkle fortnimmt und auf die sich die Wünsche des Sängers konzentrieren. Und nicht der Frühling, der in der Natur passiert, ist der Wahre und Gute, sondern: „The true spring is in you“. „Seasons kaleidoscoping“ – kraftvoll und erleichternd setzt sich dieser jahreszeitenunabhängige Frühling im ganzen Song durch.
In den folgenden drei Stücken werden große Geschichten erzählt, Geschichten, in denen jeweils ein anderes Tier Bill Callahans alter ego ist: In „Ride My Arrow“ ist es der Adler, bedroht von einem fliegenden Pfeil, der die gesamte Frage nach dem Sinn des Lebens aufwirft. Der „Summer Painter“, der gleich den Dämme bauenden Bibern arbeitet, erzählt vom Glauben an magische Fähigkeiten, die in bedrohlichen Zuständen entstehen kann. In „Seagull“ ist Callahan eine Möwe, die vom Meer weggelockt wird – wie am Anfang der Platte vom Sirenengesang einer Bar*, die Zuflucht und Reflektion über das Leben zulässt, bevor „the seagull falls back on the sea“.
Das Album schließt mit „Winter Road“, das erneut durch die Fiddle Gewicht und Sehnsuchtsgefühle verliehen bekommt. Man hört den Wind draußen stürmen und fährt zusammen mit Callahan durch weiße Straßen, freut sich auf das warme Zuhause und denkt dabei: „Time itself means nothing / But time spent with you“. Darin liegt alles: die Schönheit auch eines bedrohlichen Weges, Zufriedenheit mit der eigenen Situation, die Vorfreude auf kommende Erlebnisse: „I have learned when things are beautiful / To just keep on / Just keep on”.
Damit endet die Reise, aber weil es so schön ist (just keep on!), möchte man nach den letzten Klängen einfach wieder alles von vorn hören. Insbesondere, wenn es gerade regnet und stürmt. Bill Callahans Ziel war es, eine Platte zu machen als „the last record you could listen to at the end of the day, before you go to bed, around midnight“. Das ist ihm gelungen; diese Platte ist tröstend und wahrhaftig und führt zu schönen Orte und Welten.


*Callahan weckt hier sogar Tolkiensche Assoziationen, denn das Wort „bar room“ wird durch seinen Gesang zu „barum barum“, eines typischen Wortes in der Sprache der Ents, der Baumhüter beim Herrn der Ringe.
 


Now and forever
From palm to palm
From hand to hand
Floating in the air
She looks to find him there.


Ich las ein Testament. Der Fall des Falles. Ich dachte über Wohnungen nach, und übers Verreisen.

Out on the edge
That's when she gives
That's where she lives
Floating in the smoke
She says it gives her hope.
 


Spätestens ab Seite 21 empfand ich unüberwindliche Ablehnung gegen die reaktionäre, verbitterte und selbstherrliche Art Wolf Schneiders [Deutsch fürs Leben, Rowohlt 1994].
 


 


Dieser originale hermeneutische Zirkel hat mit dem relativistischen hermeneutischen Zirkel von Heidegger und Gadamer nichts zu tun!
 


20:03. Trunkenheitskurve vom Lauran Cabaret Minervois 2010 steil ansteigend. Weiterer Versuch, die Skatmäuse zu besiegen. Alle Vorbehalte gegen Kate Middleton abgelegt angesichts einer wahnsinnigen Taille.
 


Die tiefe Freude darüber, wieder in der Lage zu sein, zwei Stunden lang in einer Wolke aus Konzentration zu schweben. Das kurzzeitige Lösen des Geistes vom Körper. Wie beim Sex, nur umgekehrt: die Seele befindet sich im Geist, nicht im Körper.
 


Die Schwierigkeit, die richtige Geschwindigkeit zu treffen, um Dinge zu verwirklichen, die von Bedeutung sind.
 


Merke: Kein Glückliches-Paarfoto auf den Schreibtisch stellen. Niemals.

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