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Haus und Hof sind voller Trauer, Erschöpfung und Fassungslosigkeit. Eine wäre auf dem Weg zum Begräbnis beinahe wieder umgekehrt. Sie trugen alle keine Mützen bei zwei Grad Celsius und einer kalten Nebelsuppe. Beim Weg hinein in die Kapelle mit dem Foto am hintersten Ende wäre auch ich beinahe wieder umgekehrt. Aufgereiht wie verlorene Hühner auf der Stange saß diese Familie, die ich so liebe, 50 Zentimeter vom Sarg entfernt. Ein Pastor dann, dem es gelang, in seiner Rede nur Wahres über die Verstorbene zu sagen. Das war gut und machte es noch schlimmer. Taube Zehen, taube Finger, taube Seelen. Die Reihe der Kondolierenden schien kein Ende zu nehmen. Sofort entstand eine Legende daraus: wohl niemals seien in dem kleinen Dorf mehr Menschen zu einem Begräbnis erschienen. Auch wenn diese Legende nicht stimmt, so waren es doch über zweihundert, und sie drückt das Ausmaß des Schmerzes aller Anwesenden aus. Später im warmen Haus vor dem neuen Kamin erzählt mein Onkel vor allen Leuten von den längsten anderthalb Stunden seines Lebens. Als die immer pünktliche Frau nicht nach Hause kam. Und er benennt die Eigenschaft, die alle an ihr oft nervte, und seine Stimme zittert, als er laut sagt, was er sich nun vorwirft und was er als Lehre mitnimmt. Und er wiederholt, dass es keinen Trost gibt und lässt diesmal, anders als der Pastor zwei Stunden vorher, die Hoffnung auf Trost durch Gott weg, weil er es besser weiß.
Im Haus ist sie in jedem Raum und doch fehlt immer genau einer. Beim Klang der Stimme ihrer Schwester erschrecke ich. Am Abend wird mit zehn Jahre altem Port auf sie angestoßen.
Am nächsten Tag am Grab kommentiert eine alte, hutzlige Frau die Blumenberge sehr laut: "Die Zeit heilt keine Wunden."
Als wir auf dem Weg zum Zug die Stelle passieren, steht mein Onkel dort einsam, sein Mantel viel größer als er, er hebt die rechte Hand mit der Rose ganz leicht zum Gruß. Es wäre nicht geschehen, wenn, wenn, wenn. Der Junge auf dem Rücksitz sagt, wir sollen damit aufhören, es ändere doch nichts. Ich erkläre, warum wir es tun: Weil wir es alle nicht verstehen.

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